Vertrauensvorschuss durch Kundennähe

Lokale Spar- und Kreditvergabe-Genossenschaften können Afrikas Bauern den Weg in die Zukunft ebnen – vorausgesetzt, die ordnungspolitischen Bedingungen stimmen. Ein Beispiel aus dem ostafrikanischen  Uganda. Es zeigt, das auch eine andere Entwicklung möglich ist, als riesige Investitionen in Agrotreibstoffprojekte.

Als Herr über eine 44 Hektar grosse Fläche mit Kochbananenpflanzen und Kaffeesträuchern zählt Thadeus Kiggundu Kafeero zu den wohlhabenden Bauern in der Gegend um die zentralugandische Landgemeinde Mateete. In seinem Auftreten bescheiden und eher wortkarg, gibt sich der Patron dafür schnell als Mann der Tat zu erkennen.

Zurzeit bereitet ihm die Bewässerung seiner Kochbananen Kopfzerbrechen. Er braucht Pumpen, um seine Pflanzungen zu bewässern. Diese Geräte aber kosten eine ordentliche Stange Geld, das er momentan nicht besitzt. Thadeus Kiggundu Kafeero möchte einen Kredit, und den hat ihm der „Mateete Microfinance Cooperative Trust Limited“ in Aussicht gestellt.

Diese ländliche Spar- und Kreditvergabe-Genossenschaft mit dem Namen Savings and Credit Cooperative Society (Sacco) hat an diesem Tag ein Treffen auf seiner Farm in Zentraluganda vereinbart. Für die 2003 gegründete Genossenschaft, der auch Kafeero angehört, ist der Landwirt längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Er hatte mehrfach kleinere Darlehen erhalten. Damit beschaffte er sich Gerät, Saatgut, Dünger sowie Chemikalien und bezahlte auf diese Weise auch das Schulgeld für seine Kinder.

Direkter und schneller Kundenkontakt

„Alle Raten kamen stets zum vereinbarten Zeitpunkt“, berichtet Elias Kainamura, der als Chefbuchhalter für das Kreditwesen der Kooperative zuständig ist. Und deshalb sieht die Leitung der Genossenschaft, deren Stammkapital in Höhe von umgerechnet 92 000 Euro von den gegenwärtig rund 4.500 Mitgliedern beigetragen wurde, gute Chancen, ihm zu seinem bislang grössten Darlehen zu verhelfen.

Gut 80 Prozent der Einwohner von Uganda, das Winston Churchill seiner landschaftlichen Reize und fruchtbaren Böden wegen begeistert „Perle Ostafrikas“ genannt hatte, leben von der Landwirtschaft. Knapp 70 Prozent der überwiegend familiären Betriebe produzieren aber gerade einmal so viel, wie sie selbst benötigen. 

Thadeus Kiggundu Kafeero wollte schon immer höher hinaus. In den letzten Jahren konnte er seinen Farmbetrieb kontinuierlich erweitern – dank Darlehen von der Kreditgenossenschaft in Mateete. Heute beschäftigt er ein Dutzend Landarbeiter. Bei herkömmlichen Banken hat er nie einen Kredit beantragt. „Ich bin mit den Anforderungen nicht klar gekommen, zudem gibt es Banken nur in der Stadt Masaka, die viel zu weit weg ist von meiner Farm“, erklärt er.

Für die meisten Genossenschaftler hat der Ort Mateete den Vorteil, dass sie ihn bei Bedarf relativ leicht und schnell erreichen können. Es gibt jedoch auch Mitglieder, die in weiter abgelegenen Landstrichen mit miserablen Verkehrsverbindungen leben. Wenn nötig, begeben sich Mitarbeiter der Genossenschaft mit Auto oder Motorrad zu ihren Kunden. Dieser Service wird offensichtlich geschätzt: Nicht nur Bauern und Händler sind der Genossenschaft beigetreten, auch Geschäftsleute, Schulen und religiöse Gemeinschaften gehören inzwischen dazu.

Die Sacco und der „emotionale Faktor“

Dass die Genossenschaft von Mateete bei den Menschen hoch im Kurs steht, führt Maria Gorreth Naluwo, die in der Kreditüberwachung mitarbeitet, vor allem auf den „emotionalen Faktor“ zurück. „Wenn uns die Leute ihre Raten bringen oder Beträge auf das Sparkonto einzahlen, ergibt sich manchmal ganz spontan die Gelegenheit, auch über private Dinge zu reden“, bekräftigt sie. Es geht also nicht nur um das Business.

Diese Nähe zur Kundschaft sucht die Kreditgenossenschaft nicht zuletzt, um mit dem weit verbreiteten Misstrauen gegenüber Spar- und Kreditvergabe-Genossenschaften aufzuräumen. Auf annähernd 2.000 schätzt Christian Königsperger, der als Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ein Programm zur Finanzsystementwicklung leitet, die Zahl der ländlichen Kreditgenossenschaften in Uganda. Seinen Erfahrungen zufolge wird jedoch lediglich ein kleiner Teil finanz- und banktechnischen Mindeststandards gerecht. „Nur rund ein Dutzend wirtschaften richtig professionell und haben das Potenzial, ihre Mitglieder nachhaltig mit Finanzdienstleistungen zu versorgen“, schätzt Königsperger.

Diese sind meist vergleichsweise gross und haben bis zu 15.000 Mitglieder. Problematisch sind seinen Worten zufolge die unzähligen, meist kleinen Kooperativen, die aus politischen Gründen initiiert wurden. Um sich die Sympathie potenzieller Wähler zu sichern, statten Politiker sie mit Geld aus. Die Kreditvergabe erfolgt in diesen Fällen also nicht nach banktechnischen Überlegungen sondern nach politisch ausgerichteten Kriterien. Wer einen Kredit erhält, geht eine moralische Verpflichtung ein - den Politiker, der das Geld beschafft hatte, bei Wahlen zu unterstützen. Das Wohlverhalten wird entsprechend honoriert „indem man es mit der Rückzahlung nicht so genau nimmt“, sagt Königsperger.

Ein weiteres Problem bei personell und technisch unzureichend ausgestatteten Instituten sind Betrugsfälle, bei denen sich die Manager mit den Einlagen der Genossenschaftler über Nacht aus dem Staub machen. Sowohl politische Manipulation und Betrug behindern demnach das Entstehen einer soliden Spar- und Kreditkultur. „Die Genossenschaften brauchen neben technischer Unterstützung vor allem einen geeigneten und verbindlichen Rechtsrahmen, der konsequent umgesetzt wird“, bekräftigt Königsperger.

Das Programm zur Finanzsystementwicklung erarbeitet mit der Zentralbank Ugandas und anderen nationalen Partnern neue Rahmenbedingungen. Dass direkt mit der Zentralbank zusammengearbeitet wird, bringt einen unschätzbaren Vorteil: Erfahrungen, die man in den Basisgenossenschaften gewinnt, können unmittelbar in den Politikdialog mit den staatlichen Entscheidungsträgern einfliessen. 

Fälschungssichere Schriftsätze

Wenn die gesetzlichen Anforderungen steigen, wird Königspergers Ausführungen zufolge auch die Messlatte für die ländlichen Kreditgenossenschaften höher gelegt werden. Wichtig sei es dabei, Verbesserungen in allen Bereichen des Geschäftsbetriebs zu erzielen. Nur relativ wenige dieser Genossenschaften werden die Chance haben, sich grundlegend zu erneuern. Die erfolgreichen Genossenschaften jedoch haben das Potenzial, langfristig entscheidend zum Wohl der benachteiligten Landbevölkerung beizutragen.

Diesen Kurs hat die Kooperative in Mateete bereits eingeschlagen. Der Hauptsitz ist nun mit IT ausgestattet. Weil Strompannen in Uganda zum Alltag zählen, hat man das Dach mit Solarpaneelen ausgerüstet. Als technische Beraterin verspricht sich GIZ-Mitarbeiterin Justine Kasoma von der EDV-Umstellung mehr Transparenz im Geschäftsablauf. Schriftsätze liessen sich wesentlich schneller ausfertigten. Zudem seien sie besser vor Fälschungen geschützt, meint sie zuversichtlich.