Von Hilfsbedürftigen zu Selbstversorgern

Bislang am Tropf internationaler Hilfsorganisationen, besinnt sich der ostafrikanische Kleinstaat  Burundi auf die Stärken seiner Landwirtschaft.

Das Bild täuscht: Die Ernte in Burundi ist meist bescheiden. Bild: Thomas Veser. 

 Burundis wahrer Reichtum ist auf den ersten Blick die landschaftliche Vielfalt des ostafrikanischen Kleinstaates. Vorbei an bis zu 2700 Meter hohen Bergen, an deren Fuss sich Naturwälder erstrecken, gelangt man durch ausgedehnte Savannen in den Grossen  Zentralafrikanischen Graben und dort zum majestätischen Tanganijka-See. An seinem Ufer überrascht Burundi, das etwa die Fläche der ehemaligen Kolonialmacht Belgien besitzt, mit einer der charmantesten Hauptstädte im östlichen Afrika – Bujumbura besitzt eine Fülle prächtiger Gebäude aus der Kolonialzeit, die 1962 zu Ende ging.

Das alles ist eine trügerische Idylle, die darüber hinwegtäuscht, dass die heute gut neun Millionen Einwohner in einem der ärmsten und am schlechtesten entwickelten Länder Ostafrikas leben. Ein zwölfjähriger Bürgerkrieg, 2005 beigelegt, hat nicht nur unzählige Menschenleben gekostet. Seine Folgen lassen sich heute noch an der kläglichen Infrastruktur und etlichen Kriegsruinen selbst im Zentrum von Bujumbura ablesen. 

Hilfswerke an Stelle des Staates

An Stelle des Staates, der seinen Bürgern herzlich wenig zu bieten hat, sind seit vielen Jahren Hilfsorganisationen aus der westlichen Hemisphäre aktiv. Sie sorgen dafür, dass die Bewohner zu Nahrungsmitteln, Gesundheitsdiensten und Bildung Zugang erhalten. Seit über zwei Jahrzehnten kümmert sich das Zentrum „Nouvelle Espérance“ (Neue Hoffnung) im volkstümlichen Wohnviertel Buyenzi um Menschen mit HIV/Aids-Erkrankung und Waisenkinder, die ihre Eltern durch die Immunschwächekrankheit und den Bürgerkrieg verloren haben. Sie macht die Besucher zudem kostenlos mit Gesundheitsvorsorge und der richtigen Ernährungsweise vertraut und greift den Menschen beim Erlernen von Berufen unter die Arme.

Seit Ende des Konflikts kehren aus den Nachbarländern Flüchtlinge zurück in eine Heimat, die sie aus eigener Kraft nicht versorgen kann. Deshalb liefern das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) und weitere Hilfsagenturen Nahrungsmittel, vor allem Getreide. Hilfsorganisationen, darunter die deutsche Welthungerhilfe, sichern an zahlreichen Schulen Schulspeisungen.

Erinnerungen an die „Kornkammer“

Dabei könnte der landwirtschaftliche Sektor, von dem über 90 Prozent der Bewohner abhängen, das gesamte Land versorgen. Die im Norden an der Grenze zu Ruanda liegende Provinz Kirundo galt einst als „Kornkammer“. Nirgends lässt sich der Niedergang der Landwirtschaft besser nachvollziehen als dort. Fast 400 Menschen drängeln sich gegenwärtig auf einem Quadratkilometer Fläche. Das starke Bevölkerungswachstum führt dazu, dass Kulturflächen pro Familie durch Erbteilung immer kleiner werden. Weniger als ein halber Hektar pro Familie ist in Burundi keine Seltenheit. 

Kaffee wird alle zwei Jahre geerntet. bild: Thomas Veser. 

Da viele Äcker während der Bürgerkriegsjahre instandgehalten wurden, sind die kargen Böden nach ein bis zwei Ernten erschöpft. Über besser an die klimatischen Verhältnisse angepasstes Saatgut sowie über Zuchtkenntnisse bei den Nutztieren verfügen die wenigsten Landwirte.

Brachland kann sich niemand leisten

Ungenutzte Kulturflächen sind in diesem Feldermosaik kaum noch auszumachen. In ihrer Not holzen die Bauern Waldstücke ab und legen Sumpfflächen trocken. Selbst in extremen Hanglagen versuchen sie, dem Boden etwas abzuringen – mit mässigem Erfolg. Felder brach liegen zu lassen, um den Böden die nötige Ruhepausen zu verschaffen, können sich die Bauern nicht mehr leisten.

Wie an den Garstellen in den Dörfern deutlich wird,  lebt man auf dem Land bescheiden. Die Menschen müssen sich in der Regel Tag für Tag mit einem Eintopf aus Bananen, Bohnen und etwas Reis zufrieden geben. Nach Angaben der Vereinten Nationen von 2012 sind zwischen 15 und 20 Prozent der Bevölkerung, darunter 44 Prozent der Kinder unter fünf Jahren, dauerhaft von Hunger oder Mangelernährung bedroht. Verschärft wurde die Krise durch eine Reihe von Dürre- und Hochwasserkatastrophen. Auch Pflanzenkrankheiten wie ein volkstümlich „Mosaik“ genannter Virenbefall des Grundnahrungsmittels Maniok, einer stärkehaltigen Wurzelknolle, setzen den Menschen zu. 

Die hauptsächlich für den Eigenbedarf anbauenden Landwirte ziehen auf  ihren Äckern vor allem Bananen, Bohnen sowie Süsskartoffeln. Für den Verkauf  bestimmt sind Baumwolle, Tee, Zucker und Kaffee. Allerdings sind die Kaffeepflanzungen so alt, dass nur alle zwei Jahre eine Ernte möglich ist.

An den Export dieser Güter ist gegenwärtig nicht zu denken, da die Transportbedingungen auf den dringend sanierungsbedürftigen Strassen denkbar ungünstig sind. Zudem besitzt Burundi kaum Verbindungen zu den Nachbarländern und zu internationalen Märkten.

Dass die Lage der Landwirtschaft indessen weniger aussichtslos ist, als es den Anschein hat, lässt sich seit einigen Jahren im Norden Burundis beobachten. Dort setzt die US-Hilfsorganisation Catholic Relief Service (CRS) alles daran, „den Übergang von der reinen Nothilfe durch Lebensmittellieferungen hin zur Entwicklung und Stärkung der regionalen Landwirtschaft zu bewältigen“, bekräftigt CRS-Mitarbeiterin Dina Brick. „Es kann nicht unsere Aufgabe sein, die Bewohner daran zu gewöhnen, dass sie ohne eigenes Zutun rundum versorgt werden“, fügt sie hinzu.

Bodenschutz und verbessertes Saatgut

Und das funktioniert so: Durch einfache Arbeiten, die Bewohner für ein geringes Entgelt leisten, entstehen Anti-Erosionsgräben. Damit lässt sich verhindern, dass Regengüsse die Hügel kahlwaschen. Auch neu angepflanzte Bäume und Büsche, die als Futterpflanzen dienen, stärken den Bodenschutz in Hanglagen. 

Die Reisernte konnte inzwischen verdoppelt werden, da die Bauern entsprechend geschult werden. Durch den Anbau  marktfähiger Produkte wie Medizinalpflanzen, Avocados oder Macadamia-Nüssen erzielen die Landwirte auf den Märkten zusätzliche Einnahmen. Seit 2012 hat die Regierung den Zugang zu Dünger und geeignetem Saatgut erleichtert. Ganz oben auf der Agenda stehen Wiederaufforstung und verstärkter Strassenbau. Zudem sollen Bauern damit vertraut gemacht werden, wie sie ihre Ernteüberschüsse richtig vermarkten können. Während die Vereinten Nationen über ihren Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) Bauernfamilien mit Schweinen, Ziegen, Kaninchen und Bienenstöcken ausstatten, kümmert sich die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO um den Ausbau des Bewässerungssystems. Auch bei Kaffeenanbau, Blumenzucht und Milchwirtschaft hat man im nördlichen Bergland unterdessen merkliche Fortschritte erzielt. 

Dina Brick wagt deshalb eine optimistische Zukunftsprognose: „Je stärker die Menschen wieder Vertrauen fassen und ihre Versorgung selbst in die Hand nehmen, desto schneller wird Burundi von ausländischer Hilfe unabhängig werden.“

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