Biodiversität

Die Sojarepublik

Paraguay ist das Musterbeispiel eines für die Dienste der reichen Nationen und dem Profit einiger weniger einheimischer geformter Staat. Das ganze Land ist praktisch eine Monokultur. Die des gentechnisch veränderten Sojas, das via Kuhmägen auch auf unseren Tellern landet. In einer Sendung beleuchtete der Radiosender SR2 die Hintergründe vor Ort.

Paraguay ist flächenmässig etwas grösser als Deutschland. Mit dem Norden Argentiniens, dem Süden Brasiliens und dem Osten Boliviens bildet Paraguay zusammen den Sojagürtel. Der weltweit viertgrösste Exporteur dieser eiweissreichen Pflanze erfreut sich stetig steigender Nachfrage. Pro Hektar werden 3,5 Tonnen geändert und Einnahmen von 900 Dollar generiert. In der fruchtbaren Gegend des Alto Parana wird seit den 1970er Jahren Soja angepflanzt.

Der Anbau wurde damals als grüne Revolution gepriesen. Tatsächlich verschaffte Soja den Kleinbauern die Möglichkeit eines kleinen zusätzlichen Einkommens und die Produktion von Futter für die Haustiere. Diese massvolle Integration des Sojas in die bäuerliche Produktionsweise änderte sich schlagartig in den 1990ern und den ersten zehn Jahren des neuen Jahrtausends. Die Sojafrucht wurde gentechnisch so verändert, dass sie hochkonzentrierte Duschen an Unkraut- und Pilzvernichtungsmittel unbeschadet übersteht. Der Einsatz von Breitbandherbiziden führte zwar zu höheren Erträgen, vor allem aber in die totale Abhängigkeit der Agrochemiegiganten Monsanto und Syngenta. 

Zwar sind gentechnisch veränderte Lebensmittel im EU-Raum und der Schweiz verboten, doch mit der Einfuhr von Kraftfutter, dem Soja beigemischt wird – in die EU werden jährlich 35 Millionen Tonnen Soja-Schrot eingeführt – landet genmanipulierte Nahrung indirekt eben doch auf unseren Tellern. In Paraguay beispielsweise ist praktisch keine natürliche Soja erhältlich. Das Saatgut ist patentiert und nicht vermehrbar. Es muss jedes Jahr zusammen mit der dazu passenden Chemikalie neu gekauft werden. 

Angst und Schrecken

65 verschiedene Agrargifte werden eingesetzt, darunter das gefährliche Agrargift eingesetzten DDT, das bei uns längst verboten ist. So kommen 24 Millionen Liter Pestizide zusammen, die jährlich auf die Pflanzen nieder regnen. Graziella Gamarra vom Gesundheitsministerium in Paraguay wies in einer Untersuchung zahlreiche Krankheits- und Todesfälle nach, die auf den Einsatz von Spritzmitteln zurückzuführen sind. Daraufhin wurde sie von einem Hersteller vor Gericht angeklagt, weil die Untersuchung nicht sauber wissenschaftlich sei.

Doch das Vorgehen hat Methode. Es ist ein deutliches Signal, um jedem Aktivisten im Land zu sagen: Misch dich nicht ein! Leg` dich nicht mit den Mächtigen an, sonst bekommst du Probleme! So tun die meisten Ärzte, als sei nichts geschehen, attestieren Durchfall oder Parasiten, anstatt Vergiftungen durch Agrochemie. In einigen Gegenden werden Angst und Schrecken wie zu Zeiten der Diktatur verbreitet.

Paraguay zählt zu den korruptesten Ländern der Welt, und zu den Staaten mit derungerechtesten Landverteilung: 86 Prozent der Ackerfläche sind im Besitz von nur vier Prozent der Bevölkerung. Die traditionelle politische Elite ist eng verflochten mit den Grossgrundbesitzern und der Agrar-Lobby. So sind manche Abgeordnete, die alteingesessenen, einflussreichen Familien angehören, sind gleichzeitig Landbesitzer und Sojafarmer. Die Gerichte, Behörden, Polizei und Medien verteidigen die Interessen dieser Elite.

Es kommt noch schlimmer

Doch es wird noch schlimmer kommen. Gegenüber dem Radio SR2 schwärmt Hector Cristaldo, Präsident des wichtigsten Verbandes der Sojalobby in Paraguay: 

„Paraguay hat grosses Potential! In der östlichen Region werden von 15 Millionen Hektar landwirtschaftlich nutzbarer Fläche erst 7,2 Millionen genutzt. Es gibt also immer noch Platz zu expandieren, ohne einen einzigen Hektar Wald zu roden, denn fast 1,3 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Boden liegen noch brach.“

Was Hector Cristaldo genauso wie andere Agroindustrievertreter in anderen Ländern, aber ähnlichen Situationen verschweigen: Land liegt nicht einfach brach, es sei denn es sei vollkommen unfruchtbar. Dann wächst darauf auch keine Soja. Cristaldo spricht von Flächen, die entweder doch bewaldet sind, oder von Kleinbauern bewirtschaftet werden, die es zu vertreiben oder allenfalls mit einigen Dollars zu entschädigen gilt. Dieser Prozess hat schon begonnen: Seit Jahren nimmt die Zahl der Kleinbauern, die gar kein Land mehr besitzen, zu. Schätzungen zufolge gab es 2009 bis zu 300 000 landlose Familien in Paraguay. Sie haben entweder nie Land besessen oder wurden rücksichtslos von Grossfarmern vertrieben.