Energie

Runde Tische der Rohstoff-Ritter

Palmöl-Plantage in Indonesien (CC: a_rabin/flickr)

Die Welt des internationalen Agrargeschäftes wird zur grossen Tafelrunde der Edlen: An runden Tischen für nachhaltiges Palmöl, verantwortungsbewusstes Soja, nachhaltigen Baumwollabbau und nachhaltigen Kakao soll alles besser werden. Doch die Suche nach ökologischer und sozialer Gerechtigkeit wird von der Industrie dominiert.

Darrel Webber ist Generalsekretär des Runden Tisches für nachhaltiges Palmöl (RSPO). Während er von auf einem Podium zur Nachhaltigkeit von Palmöl in Berlin von Vertretern von Nichtregierungsorganisationen mit Kritik bombardiert wird, spielt er mit der glänzenden Uhr an seinem Handgelenk und wirft des öfteren einen gelangweilten Blick auf sein Handy. „Solange die RSPO-Unternehmen weiter expandieren, sind sie nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems“, sagt Peter Gerhardt, Agraringenieur und Entwicklungspolitologe.

Dazu scheint auch Webber zu gehören. Erst als ihm Saurlin Siagian der Vereinigten Evangelischen Mission Bilder von Kindern zeigt, die mit langen Stäben die Früchte der Ölpalmen auf der ältesten Plantage Indonesiens ernten – sie trägt das RSPO-Siegel - , gibt sich Webber schockiert und verlangt die Bilder zur Aufklärung des Falles. Kurz darauf blickt er wieder auf sein Handy. Das ist bezeichnend für das Verhalten einer ganzen Industrie, die gerne von Nachhaltigkeit spricht, sich aber, wenn es darauf ankommt, unvermittelt bedeckt gibt.

Run auf Runde Tische

Der RSPO folgt dem konsensorientieren Stakeholder-Ansatz und dient als Vorbild für diverse Gremien. So sind Runde Tische und Foren für nachhaltigen Kakao, verantwortungsbewusstes Soja oder nachhaltiges Biomaterial entstanden – um die Palmölproblematik selbst kümmern sich neben dem RSPO auch die französische Allianz für nachhaltiges Palmöl, das deutsche Forum für nachhaltiges Palmöl und die Palm Oil Innovation Group.

All diese runden Tische verbindet eines: Sie werden von der Industrie dominiert, die Kriterien zur Zertifizierung werden oft nicht eingehalten oder sind nur schwach ausgeprägt. Rund 70 Prozent der RSPO-Mitglieder sind Grossunternehmen, Händler oder Investoren – eine einzige Vetostimme ihrer Seite kann das Einführen verschärfter Zertifikatskriterien verhindern.

Beschwerden ohne Aussicht auf Besserung

Adriana Sri Adhiati von Watch Indonesia sieht hier ein grosses Problem: "Die Frage ist, wie wir dazu kommen, faire Verhandlungsbasen zu schaffen", sagt sie und fordert in Indonesien ein Moratorium für das Errichten neuer Plantagen, bis Menschenrechtsverletzungen eingestellt sind und tatsächliche Nachhaltigkeit garantiert werden kann.

Die Möglichkeit, bei der RSPO Beschwerde einzureichen, scheint auch nicht aussichtsreich – die meisten bleiben hängig oder ohne Erfolg. Webber versichert, die RSPO arbeite daran. "Wir können den Beschwerden nicht ohne solide Beweise nachgehen", sagt er. Diese seien aber nur schwer auffindbar, da sich die Plantagen oft fernab der restlichen Zivilisation befinden. "Wenn man die Plantagen besucht, geht man ins Niemandsland", schildert Siagian. "Die Betreiber der Felder wissen Stunden zuvor, wenn sie Besuch erhalten. So können Vorkehrungen getroffen werden."

Palmöl - Rohstoff des 21. Jahrhunderts?

Der Hype auf das Palmöl ist ein neues Phänomen: In den letzten 20 Jahren hat sich die weltweite Anbaufläche für Ölpalmen verzehnfacht - viele heutige Palmölfelder in Indonesien sind auf ehemaligen Wäldern errichtet – Brandrodungen sind nach wie vor gang und gäbe. Bisher sind 13 Prozent des weltweit produzierten Palmöls RSPO-zertifiziert, jedoch findet nur die Hälfte davon auf dem Markt einen Abnehmer.

„Die Zeit ist gekommen, dass sich Europa zusammenschließt und sein Engagement für nachhaltiges Palmöl verstärkt, damit große Verbraucherländer wie Indien und China sich von diesem Beispiel inspirieren lassen und ihm folgen“, sagt Webber. Vorreiter sind hier die Niederlande, die 41 Prozent zertifiziertes Palmöl beziehen, und Belgien mit 31 Prozent.

Grund für die Beliebtheit des Palmöls ist der hohe Ertrag im Vergleich zu anderen pflanzlichen Ölen. Auf einer Fläche von einem Hektar kann mit Ölpalmen zwischen 3'500 und 8'000 Kilogramm Öl erwirtschaftet werden - Raps hingegen liefert bei selber Fläche nur 1'000 Kilogramm Öl, Sojabohnen nur 375 Kilogramm. Diese aussichtsreichen Erträge haben dafür gesorgt, dass Ölpalmen die Quelle für beinahe 40 Prozent aller pflanzlichen Öle auf dem Markt sind.

Ein Irland voller Ölpalmen

Der Trend soll auch anhalten. Hochrechnungen bis 2020 zufolge wächst der globale Bedarf an pflanzlichen Ölen um 27,7 Millionen Tonnen, und die tiefen Preise lassen vermuten, dass ein Grossteil des Bedarfs mit Palmöl gedeckt wird. Hierfür wären rund 6,3 Millionen Hektar Palmölplantagen nötig - also annähernd die Fläche von Irland.

Laut Jan Kees Vis, Vorstandsvorsitzender des RSPO und Global Director Sustainable Development bei Unilever, sei die nötige Fläche bereits in Industriebesitz und zum Ölpalmanbau bereit. Dies liegt auch daran, dass Unternehmen gerne grosszügig Agrarland kaufen und aufbereiten, ohne darauf Pflanzen anzubauen. Dass dies auch mit RSPO-Mitgliedschaft möglich ist, zeugt von zweifelhaftem ökologischem Erfolg des Gremiums.

So lange im Namen von Nachhaltigkeit riesige Monokulturen auf ehemaligen Regenwaldflächen entstehen, liege das Problem noch auf einer anderen Ebene. "Wir brauchen ein neues Verständnis von Nachhaltigkeit", sagt Adhiati von Watch Indonesia. Das dies im Rahmen der Runden Tische nur schwierig zu erreichen ist, demonstiert der RSPO: Die Dominanz der Industrie und das demonstrative Desinteresse von Webber zeugen von einem langen, steinigen Weg zu ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit.

 

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