Landwirtschaft

Hunger muss nicht sein

Jahrzehntelang war das Thema Hunger und Unterernährung zentral und dessen Bekämpfung ein Ziel auf Ebene der internationalen Organisationen. Doch die Halbierung des Hungers bis 2015, eigentlich ein Millenniumsziel, ist in weite Ferne gerückt.

 

Kleinbauern brauchen Schulung, Arbeitsgeräte und faire Preise. Dann können sie die Artenvielfalt erhalten und einen wichtigen Beitrag zur Welternährung leisten. Bild WFP/Ricardo Gangale.

Das trotz einer Steigerung der Nahrungsmittelproduktion immer noch fast eine Milliarde Menschen hungern und insgesamt jeder vierte Mensch auf diesem Planeten Mangel an gewissen Nährstoffen leidet, hat nichts mit zu wenig bebaubaren Land oder mit unfruchtbarer Erde zu tun. Es ist und bleibt ein technisches Problem, ein Verteilungsproblem, hat mit den Macht- und Besitzverhältnisse, der Zulieferindustrie, schwacher Staaten und mächtigen Konzernen zu tun. An einer von Swissaid in Bern organisierten Podiumsveranstaltung unter dem Titel: „Wer bestimmt was auf den Teller kommt“ betonte Frances Moore Lappé von der amerikanischen NGO „Small Planet Fund“, dass die Frage deshalb nicht laute: „Wie produzieren wir mehr?“ „Dies ist die falsche Frage, wenn man bedenkt, dass nur 43 Prozent der weltweiten Getreideproduktion von Menschen verzehrt werden. Es ist auch die falsche Frage, wenn man bedenkt, dass in den USA mehr Maiskalorien in den Tanks von Autos als in den Mägen von Menschen landen.“ Frances Moore Lappé forderte deshalb sich eine andere grundsätzliche Frage zu stellen: „Wie verbessern wir die Lebensqualität der Menschen und der Umwelt?“ Dazu müsste die Menschheit von der Natur lernen. „Jeder Organismus inklusive der Menschen steht in Beziehung zu anderen Lebewesen. Wir müssten deshalb verhindern, unsere zerstörerischen Eigenschaften auszuleben und lernen, unser Bestes hervorbringen.“ Denn die schlechten Eigenschaften könnten sich unter bestimmten Bedingungen ideal entfalten. Dazu zählten die Konzentration der Macht, Geheimhaltung und eine Kultur, immer die Anderen zu beschuldigen. Diese Eigenschaften würden auch im System der weltweiten Nahrungsmittelproduktion ausgelebt werden können. „Die Machtkonzentration wird beim Zusammenraffen der riesigen Landflächen sichtbar, die alleine im letzten Jahrzehnt einheimischen Kleinbauern der Südhalbkugel weggenommen wurden. Sie reicht aus, um eine Milliarde Menschen zu ernähren. Und gerade vier Jahrzehnte waren nötig, um hunderte von Saatgutherstellern und einen funktionierenden Wettbewerb zu zerstören und die Saatgutproduktion zu monopolisieren“, erklärte Lappé. Ausserdem seien Nahrungsmittel immer häufiger Gegenstand von Spekulationen und dies weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Auch die Vergabe von Samenpatenten und die Forschung zur Manipulation von Nahrungsmitteln seien intransparent. Schliesslich würden Gegner der Genforschung von mächtigen Konzernen diffamiert und mundtot gemacht – die Methode anderen die Schuld zu geben. Für den Autor des einstigen Bestsellers „Diet for a Small Planet“ müssten die Menschen von der Natur und ihren Kreisläufen lernen und akzeptieren, das kein Wesen im luftleeren Raum lebt. Er fordert deshalb: „Wir müssen Entscheidungen zusammen treffen.“

besser ökologische Landwirtschaft

Auch Jean Feyder, ehemaliger Botschafter von Luxemburg gibt der Konzentration an Macht und Entscheidungen in den Händen weniger die Schuld am Verfehlen der Millenniumsziele Vor allem prangert er die Produktion von Agrotreibstoffen aus Nahrungsmittel und den hohen Fleischkonsum an. „Das Niveau unseres Fleischkonsums ist eine ernsthafte Bedrohung für die Ernährungssicherheit der Weltbevölkerung.“ Jean Feyder kritisiert aber auch die Anpassungsprogramme der Weltbank und des IWF, die in sträflicher Weise die Bauern vernachlässigten, während die reichen Länder gleichzeitig Dumpingexporte ihrer landwirtschaftlichen Produkte betrieben. „Dabei ist unsere Landwirtschaft nicht nachhaltig, sie fördert den Klimawandel und gefährdet die Biodiversität.“ Jean Feyder, der Luxemburg einst bei der UNO und der WTO vertrat, arbeitet heute für NGO’s. In seinem 2010 erschienen Buch „Mordshunger. Wer profitiert vom Elend der ärmsten Staaten“, fordert er ein landwirtschaftliches Modell, dass auf Kleinbauern und Familienbetriebe setzt, das ökologisch ist und die Artenvielfalt erhält.“ Dazu müssen die Kleinbauern gegen unfaire Handelspraktiken geschützt und mit fairen Preisen bezahlt werden.“ Hans Hurni, Professor für Geografie und nachhaltige Entwicklung an der Universität Bern ist Mitautor am Weltlandwirtschaftsbericht 2009. Er lebte über 10 Jahre in Äthiopien und erfuhr dabei wie wichtig die Demokratisierung des Ernährungssystems wäre. „Die Weltbevölkerung wächst, der Mittelstand nimmt zu und die Kleinbauern müssten in den Entwicklungsländern eigentlich ein höheres Einkommen erzielen können. „Dies ist möglich, wenn die Kleinbauern für ihre Produkte faire Preise erhalten, mit Produktionsmitteln versorgt werden und mit Bildung ihre Anbaumethoden verbessern können.“

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