Energie

Kampf um Atomkraftwerke

Vor vier Jahren gab es in Tricastin in Vaucluse, das in den französischen Alpen liegt, einen atomaren Zwischenfall mit schweren Folgen für die Flüsse und das Grundwasser.

Sie sind seither radioaktiv belastet. Trotzdem wurden in dem Kraftwerk, das zu den grössten Atommeilern der Welt gehört, keine zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Nach vielen weiteren kleinen und mittleren Zwischenfällen fordern nicht nur Greenpeace-Aktivisten, die im Oktober mit einer Aktion auf die Gefährlichkeit von Tricastin aufmerksam machten, dessen Stilllegung.Viele Kritiker erinnern Frankreichs Präsidenten Francoise Hollande an dessen Wahlkampfversprechen. Der Sozialist scheint gegenwärtig andere Prioritäten zu sehen, doch für viele Anwohner und Umweltverbinde ist es an der Zeit, dieses dauerhafte Risiko endlich zu beenden. "Tricastin ist eine der fünf gefährlichsten Atomanlagen Frankreichs", sagt Greenpeace-Atomexperte Yannick Rousselet im Anschluss an die Greenpeace-Aktion.

Ein atomares Risiko, das niemandem dient

Nicht zuletzt seit Fukushima haben sich die Kritiken seit Fukushima intensiviert. Wie die Atomreaktoren in Fessenheim ist Tricastin eine der Anlagen, die am schlechtesten gegen Naturkatastrophen oder terroristische Angriffe geschützt sind. Das Kraftwerk ist mit einer bisherigen Betriebsdauer von über 30 Jahren die drittälteste Anlange in Frankreich. In der Hülle des Reaktordruckbehälters von Reaktor Nr. 1 sind um die 20 Risse entdeckt worden. Trotzdem wird die Anlage weiter betrieben. Tricastin liegt in einem Gebiet mit hohem Erdbebenrisiko. Weil die Anlage inmitten eines atomaren und chemischen Industriekomplexes liegt, ist die Gefahr eines schweren Unfalls mit Explosionen und Freisetzung giftiger Gase besonders groß. Wenn Hollande sein Wahlversprechen einhalten will, den Atomstromanteil am französischen Energiemix von 75 auf 50 Prozent zu reduzieren, dann muss er 10 Reaktoren bis 2017 und 20 Reaktoren bis 2020 geschlossen haben. "Die Energiewende braucht mehr als nur die zugesagte Schließung des AKW Fessenheim", sagt Yannick Rousselet. "Die vom französischen Energieversorger EDF forcierte Laufzeitverlängerung vieler Reaktoren ist keine Option. Sie stellt eine unnötige Gefahr für die Bevölkerung dar und würde für die Energiewende dringend benötigte Gelder verschlingen. Ein Teil ihrer bis jetzt anhaltenden Kritik trifft auch die atomfreundlichen Behörden, welche die Gefahren durch die Kernkraftwerke reflexartig herunterspielen, während sie deren wirtschaftliche Bedeutung als immens bezeichnen. Nach dem schwerwiegenden Zwischenfall Anfang Juli 2008, als 18´000 Liter Uranlösung aus dem Kernkraftwerk Tricastin in die Gewässer der Umgebung flossen, versicherten die Behörden des Departments Drôme und Vaucluse, dass alles in Ordnung wäre. Spätere Messungen ergaben dann, dass das Grundwasser auf einmal doch anormal hohe Strahlenwerte aufweise. Dass die beiden Flüsschen Gaffière und Azon mit radioaktiv belasteter Flüssigkeit verseucht seien, stehe aber offenbar nicht in Verbindung mit dem Uranunfall. Für diese Verschmutzung seien die 770 Tonnen radioaktiver Abfall aus Militärbeständen verantwortlich, die zwischen 1969 und 1976 auf dem Reaktorgelände in der Erde vergraben worden sind. Trotz alarmierenden Messwerten, die auf die Gefahr einer drohenden Verseuchung hinwiesen, wurde der Müll nicht fachgerecht entsorgt. Stattdessen wurde er mit neuer Erde zugeschüttet.

Systematische Verharmlosungen

Eine solche "Verharmlosung" erinnere an die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor 22 Jahren, meinte die Anti-Atomkraft-Gruppe Sortir du Nucléaire (Aus der Atomkraft aussteigen), als in Frankreich die staatlichen Behörden der Öffentlichkeit allen Ernstes mitteilten, die radioaktive Wolke, die über weite Teile Europas bis nach Spanien zog, sei am Rhein stehen geblieben. Erst im Jahr 2001 nach einer Klage 500 Krebskranker gegen die Regierung fand eine Untersuchung heraus, dass die Strahlenbelastung tausend Mal höher war als damals angegeben. Die radioaktiven Austritte aus dem Atomkraftwerk Tricastin im Bezirk Drôme et Vaucluse im Juli vor vier Jahren, die sehr verspätet öffentlich gemacht wurden, verdeutlichen, welches Problem die Herstellung der notwendigen Transparenz für einen Industriezweig darstellt, der an Geheimhaltung gewöhnt ist. Das hat sich bis heute nicht gebessert und weckt natürlich das Misstrauen der Bevölkerung und wird zu weiteren Protesten führen.