Landwirtschaft

Teure Düngemittel könnten Ernährungskrise herbeiführen

 

Aufgrund steigender Düngerpreise drohen landwirtschaftliche Erträge stark zurückzugehen. Eine einheitliche Lösung dafür gibt es nicht. Behörden, Verbände und private Institutionen wollen dem Problem nun gemeinsam entgegenwirken. 

 

Dünger gehört zu den zentralen Bausteinen der landwirtschaftlichen Lebensmittelproduktion. Mineralische Dünger sind seit dem frühen 20. Jahrhundert für steigende Getreideerträge und die Ernährung der immer weiterwachsenden Weltbevölkerung essenziell. Weil die Lieferketten unterbrochen sind, sind besonders mineralische Dünger nur beschränkt oder zu hohen Preisen erhältlich. 

Ökonom Josef Schmidhuber von der Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen (FAO) sprach am World Food Forum (WFF) 2022 über die Gründe für die hohen Düngerpreise. Als erstes nannte er die hohen und volatilen Energiepreise. Besonders diejenigen für Erdgas seien stark angestiegen. Gas wird besonders in der Produktion von Stickstoffdünger verwendet. Dazu kämen die Exportbeschränkungen vieler Länder, die den Dünger für sich behalten. Besonders im südasiatischen Raum haben Staaten zudem die Differenzen zwischen dem hohen Marktpreis und dem erschwinglichen Preis für Bauern subventioniert, was für die Betroffenen gut ist, den Preis aber in die Höhe treibt.

Weiter spricht Schmidhuber in Relation zu den unterbrochenen Lieferketten von hohen und volatilen Transportkosten. Auch der Krieg und die Geopolitik haben einen Einfluss auf die Entwicklungen im Düngerhandel mit Russland und Belarus. Im Gegensatz zu den Düngerexporten aus Belarus, die stark gesunken sind, liegen die Exporte aus Russland dieses Erntejahr aber nur 10 Prozent unter dem saisonalen Durchschnitt. Die Preise für Stickstoffdünger sind dennoch um etwa 300 bis 400 Prozent gestiegen, während sich der Preis für Phosphat- und Kalidünger verdoppelt hat. Stickstoffdünger wird weitegehend in Russland in Weissrussland produziert, da sie Zugriff auf günstiges Erdgas haben. 

Der Mangel an Düngemitteln und Alternativen führt zu Problemen in der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion. Bereits für das Jahr 2023 befürchtet die FAO eine Ernährungskrise, die besonders vulnerable Gruppen treffen könnte. Die FAO beobachtet die Situation und prüft die Verfügbarkeit von Düngemitteln weltweit, wie QU Dongyu, Generaldirektor der FAO am WFF sagte.

 

Dünger bringt ohne den richtigen Boden nichts

Laut Maria Helena Semedo von der FAO spielen nicht nur Düngemittel eine wichtige Rolle, sondern auch der Boden, den die Landwirte nutzen, wie sie am WFF mitteilte. Es sei notwendig die Böden zu nähren und zu schützen, um die globale Biodiversität zu wahren und Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Der Boden besteht aus 18 Nährstoffen, die allesamt für Pflanzen überlebenswichtig sind. 15 davon sind nur in gesunden Böden zu finden. Das Management dieser Nährstoffe spielt laut Semedo auch für die Herstellung gesunder Nahrungsmittel eine zentrale Rolle. Dem Welternährungsbericht ist zu entnehmen, dass sich im Jahr 2020 3.1 Milliarden Menschen keine gesunde Ernährung leisten konnten. 

Um die Böden in der Landwirtschaft zu verbessern, wird an BioChar, also Biokohle, geforscht. Diese wird in einem Prozess namens Pyrolyse hergestellt, bei der organische Materialien wie Holzspäne, Laubstreu und abgestorbene Pflanzen in einem Behälter mit wenig Sauerstoff verbrannt werden. Die bei der Pyrolyse entstehende Energie oder Wärme kann aufgefangen und als saubere Energie genutzt werden. BioChar gilt unter anderem als Bodenverbesserer und Trägerstoff für Düngemittel, kann aber auch als Futtermittelzusatz oder Nahrungsergänzungsmittel genutzt werden. Zudem hat es ein grosses Potenzial als Mittel zur Kompensation von CO2-Emissionen. «Damit wird der biologische Fussabdruck in der Landwirtschaft reduziert», bestätigt Raushan Bokusheva von der Forschungsgruppe Agrar- und Ressourcenökonomie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Besonders für Kleinbauern ist es wichtig, zu wissen, wie und auf welchen Böden sie den Dünger einsetzen müssen. Oft benutzen sie nämlich den falschen Dünger in falschen Mengen. Deshalb sollen ihnen Bodenkarten und entscheidungsstützende Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden. Die Datensammlung dafür dauert aber sehr lange und ist laut Upendra Singh vom International Fertilizer Development Center nur eine mittel- bis langfristige Lösung, wie er am WFF betonte. Wichtig sei es die «vier R» einzuhalten: den richtigen Dünger, in der richtigen Menge, zur richtigen Zeit und am richtigen Platz einzusetzen. 

 

Richtiger Einsatz und Dekarbonisierung fundamental

Um in Zukunft eine nachhaltige und wachsende Landwirtschaft unterstützen zu können, hat die FAO den internationalen Verhaltenskodex für die nachhaltige Verwendung und Bewirtschaftung von Düngemittelnveröffentlicht. Dieser soll als Leitfaden für die korrekte Nutzung von Düngern dienen. In Simbabwe wurde der Verhaltenskodex laut Maria Helena Semedo bereits erfolgreich genutzt und an die eigene Landwirtschaft adaptiert. 

Laut Upendra Singh gibt es aber auch kurzfristige Lösungen für die Düngerkrise. Jegliche Analysen, die von lokalen Institutionen getätigt werden, sowie Bodenschätzungen seien für die Kleinbauern von Bedeutung, um bei der Ernte keine Verluste zu machen. International arbeiten unterschiedliche Verbände, private Institutionen und Behörden zusammen, um Bauern mit Dünger zu versorgen und ihnen die Kenntnisse bereitzustellen, mit denen sie nachhaltig anbauen können. Patrick Heffer von der International Fertilizer Association sagte am WFF zudem, dass auch die Ammoniakproduktion dekarbonisiert werden müsse und Stickstoffdünger weniger zum Einsatz kommen soll. Bis 2050 soll die Düngerproduktion und -nutzung in der Landwirtschaft 70 Prozent weniger CO2-Emissionen ausstossen. Mit einer Dekarbonisierung und der «vier R» sei das möglich.