Klimawandel
Wenn zwei das Gleiche tun
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- Von Martin Arnold
Vor bald 10 Jahren warf die mexikanische Regierung den Indianern in der Region des Monte Azules vor, den Regenwald und damit das Schutzgebiet Monte Azules Integral Biosphere in Chiapas zu zerstören. Man wollte deshalb die Indianer umsiedeln. Das war 2003. Was warf man den Einheimischen vor, die schon immer da gelebt haben? Die Indios weigerten sich, an einem Versuch teilzunehmen, der zu einer nachhaltigeren Bebauung des Urwaldbodens geführt hätte. Andererseits – und dies zeigten Luftaufnahmen – war die Zerstörung des Regenwaldes durch die Indianer nicht so gravierend, als dass er sich nicht hätte davon erholen können. Umsiedlung der einheimischen Maya-Indianer in städtische Zentren? Kein Problem, solange das Klimagewissen beruhigt ist. Und heute?
Die massive, staatlich geförderte Nachfrage nach Agrotreibstoffen führt zur Zerstörung immer grösserer Urwaldflächen. Mitschuldig daran ist etwa Kaliforniens „Global Warming Solutions Act AB32“, in dessen Rahmen im November 2010 der damalige Gouverneur Arnold Schwarzenegger ein „Memorandum of Understanding“ mit Chiapas und Acre in Brasilien unterzeichnete. Damit wurde eine Partnerschaft im Bereich der Senken besiegelt, die im Rahmen der Verpflichtungen aus den Klimaverhandlungen als CO2-Senken Zertifikate generieren können.
Dazu zählen Wälder oder Aufforstungsprojekte. Diese Zertifikate sind handelbar und dienen dazu, Selbstverpflichtungen oder Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll zur Senkung des CO2-Verbrauchs zu erfüllen. Diese Zertifikate sind handelbar und machen Aufforstungsprojekte zum attraktiven Investment. Denn einerseits kann man mit einer Agrotreibstoffpflanze Sprit generieren, andererseits erhält man dafür auch noch Zertifikate, wenn das Projekt vom UNO-Klimasekretariat in Bonn anerkannt wird. Die Bepflanzung grosser Flächen mit Ölpalmen, Zuckerrohr oder anderen pflanzlichen Energieträgern schreitet auch in Mexiko voran. Inzwischen berichten Menschenrechtsorganisationen immer häufiger von Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen in Chiapas, dem ärmsten Bundesstaat von Mexiko, der stark durch die Kultur der Maya-Indianer geprägt ist. Die Regierung von Chiapas hat angekündigt, dass sie bis Ende 2012 400`000 Hektar Land mit Agrotreibstoffpflanzen bebauen möchte. Zur Realisierung dieses Vorhabens wurde eine enge Verbindung zum „Sustainable Rural Cities Project“ geknüpft, das von der Weltbank unterstützt wird. In diesem Projekt sollen die einheimischen Indianer aus ihren Dörfern gelockt und in vorfabrizierten, städtischen Häuschen zentral angesiedelt werden. Die Regierung von Chiapas sagt, sie möchte damit der ländlichen indianischen Bevölkerung Fortschritt bringen. Anders sehen das Menschenrechts- und Umweltanwälte. Mit der Umsiedlung werde Land frei, um die ehrgeizigen Agrotreibstoffpläne realisieren zu können. Während sich also noch 2003 die Bundesstaats-Regierung über die Indianer und ihre verhältnismässig lächerlichen Eingriffe per Machete in den Regenwald mokierte, lässt sie nun selber Bulldozer auffahren. Das Messen mit ungleichem Massstab ist logisch: Mit Agrotreibstoffen lässt sich mehr Geld verdienen als mit einer intakten Umwelt.