Waldschutz gegen Nutzungsrechte
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- Von Thomas Veser
Ambatolampy/Den Wald gemeinsam bewirtschaften und nutzen war das Ziel des bewährten madagassischen Hochlandprojekts, das allerdings auf ein relativ kleines Gebiet beschränkt blieb.
Die „Stadt der Felsen“, wie Ambatolampy auf Deutsch heisst, erreicht man über eine der wenigen geteerten Strassen der Grossen Insel. Von der Hauptstadt Antananarivo aus windet sie sich bis zum Ziel fast 70 Kilometer durch das zentrale Hochland, vorbei an den bizarr geformten Klippen des Ankaratra-Massivs.
Ockerfarben schimmernde Mimosen bilden einen natürlichen Schutzwall für die auf einem Hügel thronenden Lehmgebäude. Rund um Ambatolampy wechseln winzige, rechteckige Reisfelder mit Waldstücken und Ackerflächen ab. Dort gedeihen vornehmlich Mais und Kassava für die Eigenversorgung. Kaffee, Vanille, Gewürznelken und Kakao, in geringerem Umfang angebaut, verkaufen die Einheimischen.
Wo sich der Naturwald hält
Besonders auffällig sind die zahlreichen Naturwälder, die sich vor allen an jenen Lagen behaupten, die für die Landwirtschaft zu steil sind. Das ist für die mit etwa 587 000 Quadratkilometer viertgrösste Insel eher aussergewöhnlich. Bei einer Entwaldungsrate von knapp einem Prozent schrumpft der madagassische Naturwald jährlich im Schnitt um rund 144 000 Hektaren, auch höher liegende Naturwälder sind inzwischen betroffen.
Rund um Ambatolampy sollte der fatalen Entwicklung Einhalt geboten werden. Dort hatte die deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (giz) mit den madagassischen Partnern seit 1989 die Grundlagen für die „Integrierte forstliche Entwicklung in der Region Vakinakaratra“ gelegt. Über 3000 Hektaren Wald gehörten in das Bewirtschaftungsgebiet, etwa die Hälfte davon Naturwald, der Rest eine neuere Kiefernschonung, die sich wie ein Gürtel um den schützenswerten Kernbereich erstreckt. 18 Ortschaften mit schätzungsweise 200 000 Einwohnern hatten sich daran beteiligt.
Schweizer Pionierarbeit
Die Schweiz hatte schon in den1970er Jahren in diesem Landesteil Pionierarbeit geleistet. Unter eidgenössischer Anleitung wurden Kiefernwälder aufgeforstet. Auch Milchwirtschaft und Obstanbau kamen damals in Gang. Selbst Wein für die Weissweinproduktion wurde im zentralen und südlichen Hochland angebaut. So sollte die regionale Landwirtschaft diversifiziert werden. Deutschland stellte die Waldwirtschaft in den Vordergrund, ergänzte sie jedoch um Bodenschutz, Landwirtschaft und die Förderung von Kleinbetrieben. Als Leiter hatte die giz den Innerschweizer Forstingenieur Guido Besmer gewinnen können.
Illegal Holz eingeschlagen
Bevor Guido Besmer seine Stelle antrat, „standen die Uhrzeiger auf fünf vor zwölf“, erinnert er sich. Denn obwohl die Einheimischen den sagenumwobenen Bergnebelwald Manjakotompo als heilig betrachteten, sei er nachhaltig geschädigt worden. Immer wieder hätten Dorfbewohner illegal Holz geschlagen, fügt er hinzu.
Zunächst bereitete die giz eine intensive Nutzung der schneller nachwachsenden Kiefernwälder vor. Damit sollte dem Naturwald eine dringend nötige Ruhepause verschafft werden. Erstmals war im integrierten Forstprojekt vorgesehen, dass Einheimische, die den Staatswald nie offiziell nutzen durften, vom natürlichen Reichtum profitieren konnten. „Waldschutz ist für die Menschen nur dann attraktiv, wenn das konkrete Vorteile bringt“, bekräftigt Besmer.
Im Gegensatz zu Europa, wo nach dem Zweiten Weltkrieg kommunale und private Interessen am Wald zum Zuge gekommen waren, blieben Madagaskars Wälder selbst nach der Unabhängigkeit von der ehemaligen Schutzmacht Frankreich 1960 für die Bevölkerung tabu. Lediglich Holzhändler, die sich dem Gesetz zufolge vom Staat Einschlagsrechte kauften, konnten den Wald für sich nutzen.
Es stellte sich heraus, dass die Verbote dem madagassischen Naturwald herzlich wenig genützt hatten. Als „soziales Niemandsland“ zogen sie Bewohner an, die dort illegal siedelten und sich das holten, was ihnen der Staat ihrer Meinung nach vorenthielt.
Der Wald als Allgemeingut
Grosse, geschlossene Wälder besitzt Madagaskar heute noch vornehmlich im Osten und im Zentrum. Dort dominieren Immergrüne, dichte Feuchtwälder sowie Bergwälder mit Hartlaubgewächsen. Laubabwerfende Bäume prägen den Westen, ergänzt durch Grasland mit Gehölzen und Mangroven in Küstennähe sowie künstlich angelegten Waldflächen.
Seit Mitte der 1990er Jahre machte die Regierung Anstalten, das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern neu zu ordnen. Dem Wald ist seither eine neue Rolle zugedacht. Er wird in der Öffentlichkeit als natürliches Gut der Allgemeinheit dargestellt. Über die Dezentralisierung des Verwaltungssystems haben Kommunen grössere Vollmachten erhalten. An ihrer Spitze stehen nun gewählte Gemeinderäte. Wie die Kommunen die neuen Aufgaben angesichts knapper Finanzmittel bewältigen sollen, bleibt jedoch weiterhin Hauptproblem in Madagaskar, das mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von durchschnittlich etwa 450 US-Dollar zu den ärmsten Ländern zählt.
Madagaskars Wald soll demnach der lange ausgegrenzten Bevölkerung zurückgegeben werden. Partizipative Formen der Waldwirtschaft, so hoffen die Verantwortlichen, können entscheidend dazu beitragen, dass sich die Menschen mit dem Wald identifizieren und vor Schäden bewahren.
In Ambatolampy hatten die Projektpartner Madagaskars erste Waldwirtschaftsgemeinschaft gegründet, die„Union forestière d’ Ambatolampy“. Sie ermittelt die Holzmengen, die eingeschlagen und verkauft werden.
Waldprodukte für den Eigenbedarf
Gemäss Nutzungsplan dürfen die zu einer Waldwirtschaftsgemeinschaft zusammengeschlossenen Bewohner für den Eigenbedarf bestimmte Waldprodukte, darunter Astholz, Heilpflanzen, Waldfrüchte oder den Honig wilder Bienen, frei nutzen. Junge Kieferstämme, die in zu geringer Entfernung voneinander wachsen, werden geerntet und zu Besenstilen verarbeitet. Diese Reinigungsgeräte erfreuen sich landesweit einer regen Nachfrage.
Mittlerweile erzielt die Union im freien Verkauf etwa gleich hohe Erlöse wie die einst marktbeherrschenden Holzhändler, die sich der Union betont ferngehalten haben. Und damit hat der wirtschaftliche Druck auf die Unionsmitglieder nachgelassen: Jetzt bietet ihnen die Tätigkeit im Wald ein zusätzliches Einkommen, sie müssen nicht mehr als Tagelöhner in anderen Landesteil Arbeit suchen.
Selbst im landwirtschaftlichen Bereich lassen sich Fortschritte nachweisen: Dank verbesserter Reisanbautechniken konnte die Ernte um das Fünf- bis Sechsfache erhöht werden. Die noch in jüngerer Zeit in Madagaskar für unmöglich gehaltene Steigerung hat dazu beigetragen, dass der Druck auf die Waldflächen, die früher zur Gewinnung von Kulturfläche abgebrannt wurden, abgenommen hat.
Keine Übertragung in andere Landesteile
Rückblickend beurteilt Guido Besmer die Auswirkungen als „ziemlich erfolgreich“, der positive Ansatz sei jedoch regional begrenzt geblieben. Nach dem Ausbruch politischer Unruhen, die von 2007 bis 2009 dauerten, hatte die giz das Hochlandprojekt eingestellt und damit verlief die ursprünglich geplante Übertragung bewährten Modells in andere Landesteile im Sande.